Experteninterview Wood Me Up © Shooting bei Holzbau Scharpf

Abwarten, reparieren oder sanieren? So erkennen Sie akuten Handlungsbedarf

Ein Experteninterview von Wood Me Up

Regelmäßige Wartung kann die Lebensdauer eines Daches deutlich verlängern. Bis neu eingedeckt werden muss, können weit mehr als fünfzig Jahre ins Land gehen – und ein intakter Dachstuhl leistet sogar noch viele Jahre länger gute Dienste. Langlebigkeit wie diese setzt allerdings auch voraus, dass eventuelle Schäden zeitnah entdeckt werden. Nur ist das ist leichter gesagt als getan, denn gut sichtbare Sturmschäden am Dach sind eher die Ausnahme: Die meisten Schäden am Dach bahnen sich weit unauffälliger an.

Wir haben uns mit einem Experten darüber unterhalten, welche Anzeichen auf Schäden und Schwachstellen hindeuten können. Felix Ulmer (24) hat vor zwei Jahren in Oberndorf bei Rottenburg am Neckar seine Ausbildung zum Zimmermann abgeschlossen. Seitdem hat er an Holzbauprojekten in der gesamten Region Neckar-Alb mitgewirkt – darunter auch zahlreiche Dachreparaturen und Dachsanierungen. Im Interview mit Wood Me Up hat er uns verraten, worauf Immobilieneigentümer und Mieter vor allem in der kalten Jahreszeit achten können, um herauszufinden, ob an ihrem Dach akuter Reparatur- oder Sanierungsbedarf besteht.

Herr Ulmer, wenn Sie als Zimmermann ein Dach in Augenschein nehmen, worauf schauen Sie zuallererst?

Ich fange eigentlich immer bei den Dachziegeln an. Je nachdem, wo ein Haus steht, können zwar ganz unterschiedliche Ziegel zum Einsatz kommen, aber die meisten haben ein so großes Format, dass man schon vom Boden aus erkennen kann, wenn etwas im Argen ist. Was ich dabei sehr hilfreich finde, ist der Blick auf die umgebenden Gebäude: Im direkten Vergleich mit anderen Dächern lässt sich oft schnell erkennen, wie ein intaktes Dach in einem bestimmten Baugebiet aussehen sollte – und das betrifft sowohl den Sitz als auch die Farbe der Dachpfannen. Dunkle Verfärbungen an den Ziegeln sind nämlich auch ein Anzeichen für akuten Handlungsbedarf.

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Dachdämmung Wood Me Up

Was bedeutet die dunkle Verfärbung an den Dachziegeln?

Die allermeisten Dachziegel sind im neuen Zustand zwar an der Oberfläche versiegelt, aber diese Beschichtung nutzt sich mit der Zeit ab. Darunter kommt die poröse Struktur des Ziegels zum Vorschein – und die kann schimmeln. Verfärben sich die Dachziegel an einzelnen Stellen auf der Dachfläche schwarz, deutet das auf eine undichte Stelle hin, die sich dringend ein Profi anschauen sollte. Mit ein bisschen Glück lässt sich das noch mit einer Dachreparatur lösen. Aber wenn sich schon Schimmel in der Dachdämmung oder – noch schlimmer – im Holz der Dachkonstruktion ausgebreitet hat, führt unter Umständen an einer Dachsanierung kein Weg vorbei.

Selbst starke Dächer entwickeln manchmal undichte Stellen – aber warum eigentlich?

Ein gewisser Teil der Dachreparaturen, die wir im Lauf eines Jahres durchführen, geht natürlich auf Wind und Wetter zurück. Wenn es hagelt oder stürmt, verrutscht eben manchmal ein Ziegel. Obwohl wir auch hier im Süden Deutschlands in den vergangenen Jahren teils wirklich heftige Unwetter erlebt haben, sind solche Sturmschäden aber bei weitem nicht häufig, wie man meinen sollte.

Überall dort, wo der Sturm am stärksten am Dach rüttelt oder der Schaden am größten wäre, werden heutzutage routinemäßig Sturmklammern angebracht. Rund um Dachfenster und auch am Ortgang – das ist der Übergang zwischen Dachkante und Giebel, also die Kante, an der die Dachfläche auf die Hauswand trifft –, sitzen die Dachziegel an modernen Häusern besonders fest. Ist nach einem Sturm oder Unwetter eine Dachreparatur erforderlich, sind daher selten die Ziegel das Problem.

Viel häufiger lässt sich der Schaden auf beschädigte Bleche oder auf Fehler beim Einbau von Dachfenstern, Gauben oder Schornsteinen zurückführen, die erst infolge eines Unwetters als solche sichtbar werden. Sobald die Dachfläche durchbrochen ist, weil etwas ein- oder aufgebaut wurde, besteht bei unsachgemäßer Umsetzung nämlich immer das Risiko, dass irgendwo eine Lücke bleibt.

Und weil sich Wasser immer den kürzesten Weg nach unten bahnt, werden aus kleinen Lücken schnell große Probleme …

Genau. Bei Dachfenstern liegt die Schwachstelle z.B. oft an der Unterkante des Rahmens. Wurde das Dachfenster korrekt eingebaut, schließt an dieser Stelle alles bündig ab, aber wenn der Fensterrahmen nicht richtig in der Dachfläche sitzt, laufen Regen und Schmelzwasser schnell unter den Falz. Zieht das Wasser in die Dachdämmung, ist das nicht nur auf lange Sicht aufgrund der Schimmelgefahr problematisch: Nasses Dämmmaterial verliert auch seine wärmedämmende Wirkung.

Gerade im Winter lohnt es sich daher, auch scheinbar intakte Dächer mal ein bisschen genauer anzuschauen. Schmilzt der Schnee sehr schnell oder nur an bestimmten Punkten, ist das ein Zeichen dafür, dass hier viel Heizungswärme entweichen kann. Bei Neubauten oder energetisch sanierten Bestandsimmobilien kann das auf akuten Reparaturbedarf hindeuten – aber bei alten Bestandsimmobilien ist oft einfach die Dachdämmung grundsätzlich nicht stark genug, um die Wärme effektiv im Haus zu halten. Zu diesem Thema können übrigens auch Vögel einen guten Tipp geben: Machen die es sich an kalten Tagen besonders gern auf einem Dach gemütlich, liegt das vermutlich daran, dass sie es hier besonders warm haben.

Wie reagieren Hausbesitzer richtig, wenn sie einen Schaden am Dach oder zumindest etwas Verdächtiges entdeckt haben?

Wenn schon aus der Ferne klar zu erkennen ist, dass Dachziegel fehlt oder schief sitzt, ist ein Telefonat mit einem Fachbetrieb aus der Region angeraten. Das kann der Dachdecker sein oder direkt der Zimmermann, denn der kann bei Bedarf auch gleich noch nachschauen, wie es um die Dachdämmung steht. Handelt es sich nicht ganz eindeutig um einen frischen Sturmschaden, kann es schließlich sein, dass schon Wasser ins Dach eingedrungen ist. Und wenn der Schaden eben erst entstanden ist, muss das Dach zeitnah zumindest mit einem Provisorium geschlossen werden, damit Wind und Wetter der Dachhaut nichts anhaben können.

Zusätzlich zur regelmäßigen Sichtkontrolle von außen ist aber auch die Kontrolle von innen zu empfehlen, denn Wasserschäden an der Dachkonstruktion haben ihren Ursprung erstaunlich oft in den Innenräumen. Das liegt daran, dass in einem bewohnten Haus viel Wasserdampf entsteht, z.B. durch Duschen, Kochen und einfach durch die Anwesenheit der Menschen.

Zusätzlich zur regelmäßigen Sichtkontrolle von außen ist aber auch die Kontrolle von innen zu empfehlen, denn Wasserschäden an der Dachkonstruktion haben ihren Ursprung erstaunlich oft in den Innenräumen. Das liegt daran, dass in einem bewohnten Haus viel Wasserdampf entsteht, z.B. durch Duschen, Kochen und einfach durch die Anwesenheit der Menschen.

Hier kommt die sogenannte Dampfbremse ins Spiel. Diese spezielle Folienschicht verhindert, dass sich im Dach Kondenswasser bildet. Wenn die Dampfbremse aber beschädigt ist oder einfach nicht richtig sitzt, bildet sich über kurz oder lang Schimmel. Wer im obersten Geschoss seines Hauses Schimmel entdeckt, sollte daher ebenfalls einen Zimmereibetrieb kontaktieren. Im harmlosesten Fall stellt sich heraus, dass einfach nur anders geheizt oder gelüftet werden muss, aber falls wirklich Wasser ins Dach gezogen sein sollte, ist es umso wichtiger, darauf so schnell wie möglich zu reagieren.

Wir danken Ihnen für das Gespräch, Herr Ulmer, und wünschen Ihnen alles Gute für die Zimmermannswalz, die Sie im Frühjahr 2023 antreten werden!

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